Bereits seit einigen Jahren befindet sich die deutsche Automobilindustrie in der Krise. Bei der Volkswagen AG ist die Lage prekär. Der Haustarifvertrag wurde gekündigt, über Werksschließungen wurde diskutiert.
Die Verkaufszahlen in der deutschen Automobilindustrie sinken, insbesondere bei Elektrofahrzeugen. Das führt zu schrumpfenden Gewinnen. Der Volkswagen-Konzern musste im dritten Quartal 2024 einen herben Gewinneinbruch verzeichnen. Die Konkurrenz aus dem Ausland wirkt sich zusätzlich auf die angespannte Situation in Deutschland aus. Nicht nur VW, sondern auch Ford steht vor großen Herausforderungen.
Gründe für die Schieflage in der deutschen Automobilindustrie
Im dritten Quartal 2024 meldete Volkswagen einen Gewinneinbruch von 63 Prozent. Einem operativen Gewinn von 1,3 Milliarden Euro stehen knapp fünf Milliarden Euro Verlust gegenüber, die in Entwicklungs- und Investitionskosten begründet sind. Ein Grund für diese Schieflage ist die Situation in China als Absatzmarkt.
Der größte chinesische Hersteller BYD hat sich zum Marktführer entwickelt und die gesamte VW-Gruppe hinter sich gelassen. Die Nachfrage ist vor allem bei den teilelektrischen Fahrzeugen von BYD hoch. Fast 90 Prozent der Neuzulassungen von VW haben hingegen einen Verbrennungsmotor. Seit der Corona-Pandemie verkauft VW jährlich ungefähr zwei Millionen Autos weniger als zuvor.
Ähnlich sieht es bei Ford am Standort Köln aus, da hohe Beträge in die E-Mobilität investiert wurden. Der Konzern verdient aufgrund der geringen Nachfrage nach Elektrofahrzeugen kein Geld und kündigte bereits den nächsten Stellenabbau an. Michael Kellner, Wirtschaftspolitiker bei den Grünen, spricht angesichts der Lage bei VW von Managementfehlern.
VW hielt zu lange am Alten fest und hat noch keine bezahlbaren Elektroautos im Angebot. Ein weiterer Grund für die aktuelle Situation ist der Dieselskandal. Angesichts der Abgasmanipulationen erlitt VW einen Schaden in Milliardenhöhe. Die Antwort darauf ist laut Kellner die Zusammenarbeit von Management und Betriebsrat, um den größten europäischen Automobilkonzern wieder in die richtige Richtung zu bringen.
Die aktuelle Situation bei VW
Bei VW wurde über die Schließung von mindestens drei Werken, einen massiven Stellenabbau und sogar über Lohnkürzungen diskutiert. Zu Beginn der Tarifrunden waren keine betriebsbedingten Kündigungen geplant. Der Stellenabbau sollte sozialverträglich sein.
Am 16. Dezember 2024 fand die letzte Tarifrunde bei VW statt. VW und die IG Metall einigten sich nach einem Verhandlungsmarathon von mehr als 70 Stunden darauf, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen und Werksschließungen geben soll. Die Politiker sind ebenso erleichtert wie die Mitarbeiter von VW.
Der IG Metall ist im Tarifstreit mit VW eigenen Angaben zufolge ein Durchbruch gelungen. Die Tarifparteien einigten sich auf eine Jobgarantie bis Ende 2030. VW wird dennoch in diesem Zeitraum über 30.000 Stellen abbauen, doch soll der Stellenabbau sozialverträglich erfolgen.
VW und die IG Metall einigten sich weiterhin darauf, dass es bis 2027 keine Lohnerhöhungen geben soll. Laut IG Metall bleibt das monatliche Entgelt der Mitarbeiter unberührt. Zuvor forderte VW ein pauschales Gehaltsminus von zehn Prozent. Allerdings fällt das erhöhte Urlaubsgeld weg, das bisher gezahlt wurde.
Änderungen für die einzelnen Standorte
Auch wenn keine Werke geschlossen werden und es keine betriebsbedingten Kündigungen gibt, steht VW vor einer Herausforderung. Um sie zu bewältigen und die Krise zu meistern, sind für einzelne Standorte Veränderungen vorgesehen:
- Wolfsburg: Die technische Entwicklung wird in Wolfsburg neu aufgestellt. Bis 2030 werden ungefähr 4.000 Stellen abgebaut. Nur die Modelle CUPRA born und ID.3 werden noch in Wolfsburg hergestellt.
- Emden: In Emden werden die Modelle ID.7 Tourer, ID.7 Limousinen und ID.4 nach dem Facelift gefertigt.
- Osnabrück: Das T-Roc Cabrio wird bis Mitte 2027 in Osnabrück gefertigt. Optionen über eine andere Nutzung des Standorts werden geprüft.
- Zwickau: In Zwickau werden auch künftig der Audi Q4 e-tron und der Audi Q4 e-tron Sportback gebaut. Die Fahrzeugproduktion fokussiert sich ab 2027 auf eine Linie. Im Rahmen der Circular Economy sollen neue Geschäftsfelder erschlossen werden.
- Dresden: Die Fahrzeugproduktion in der Gläsernen Manufaktur in Dresden wird Ende 2025 eingestellt. Volkswagen arbeitet an Alternativen, darunter an einer Beteiligung von VW an einem Konzept Dritter.
Auch wenn es nicht zu Werksschließungen und damit verbundenen Massenentlassungen kommt, ist das Ergebnis der Tarifverhandlungen laut Stephan Weil (SPD), dem niedersächsischen Ministerpräsidenten, noch kein Grund zum Jubel. Auch wenn der Abbau der Arbeitsplätze sozialverträglich erfolgt, ist eine deutliche Mehrzahl davon in Niedersachsen betroffen.
Auswirkungen möglicher Werksschließungen auf Industrie und Städte
Werksschließungen konnten im Ergebnis der Tarifverhandlungen verhindert werden. Die Zukunft des Standorts Dresden ist jedoch fraglich. Werksschließungen hätten weitreichende regionale Folgen. Bereits durch die Schließung eines einzelnen Werkes könnten zehntausende Mitarbeiter ihre Arbeit verlieren.
An allen Standorten ist VW ein bedeutender Arbeitgeber. Daher sind auch viele weitere Existenzen bedroht. Das betrifft zahlreiche Zulieferer, aber auch Transportunternehmen. Bei den Zulieferern wären ebenfalls viele Stellungen von einer Schließung betroffen.
Auch Unternehmen und Industriezweige, die scheinbar nichts mit der Automobilindustrie zu tun haben, beispielsweise Dienstleister, Handel und die Gastronomie, sind betroffen. Den früheren Beschäftigten fehlt das Geld. Das wirkt sich auch auf die Städte und Kommunen aus, da sie weniger Steuern einnehmen.
Für Investitionen in die Infrastruktur und soziale Projekte fehlt das Geld. Die Entwicklung in der Region stagniert. Es könnte zu einer Abwanderung der Bevölkerung kommen. Bild- und Videonachweis/Quelle: VW/Ford/Dalle-E u.a.