Knapp zehn Jahre nach der Premiere des ikonischen Coupés ŠKODA 130 RS stand mit dem ŠKODA 130 LR die nächste Generation von Rallye-Fahrzeugen aus Mladá Boleslav am Start: In den 1980er-Jahren dominierten die Gruppe B-Rennboliden die Rallye-Welt. Auch der Automobilhersteller aus Mladá Boleslav hatte einmal mehr ein ‚heißes Eisen‘ im Feuer, das sich mit talentierten Fahrern selbst gegen die prominentesten Namen der Szene immer wieder durchsetzte. Die meisten Rallye-Fans erinnern sich an die Gruppe B als Domäne leistungsstarker Rennboliden, die zur damaligen Zeit geradezu unvorstellbare Geschwindigkeiten erreichten. Doch gerade aufgrund dieser enormen Leistungen kam es zu einer Serie von Zwischenfällen, die schließlich zur vollständigen Abschaffung der Kategorie führten.
Skoda 130 LR (1984)
Im Schatten der geradezu Furcht einflößenden, aufgeladenen Modelle namhafter Hersteller startete in der Gruppe B auch der ŠKODA 130 LR. Trotz im Vergleich deutlich weniger Leistung fuhr er gegen die Konkurrenz zu großen Erfolgen. Mit Heckmotor und -antrieb war der ŠKODA 130 LR vergleichsweise unkonventionell konzipiert.
Das einzige Fahrzeug auf der Strecke mit einem ähnlichen technischen Konzept war der Porsche 911. Die Entwicklung des 130 LR begann, nachdem die Abschaffung der Gruppe 2 der langen, erfolgreichen Karriere des Typ 130 RS ein Ende gesetzt hatte. Es galt, einen Ersatz für den ŚKODA 130 RS zu konstruieren, da dessen Homologation bereits fast abgelaufen war. Gleichzeitig sollte ein Fahrzeug vorgestellt werden, das auf dem Großserienmodell ŠKODA 105/120 basierte. Das neue Auto sollte noch leichter, schneller und besser beherrschbar sein als das Vorgängermodell.
mit vielen Innovationen an Bord
Zu diesem Zweck entwickelten die Konstrukteure in der Motorsportabteilung von ŠKODA etliche Innovationen. Der Motor mit 1,3 Liter Hubraum erhielt einen neuen Achtkanal-Zylinderkopf aus Aluminium. Dieser stammte aus der Aggregateentwicklung für den FAVORIT, das künftige Erfolgsmodell befand sich damals in Vorbereitung. Mit zwei Doppelvergasern vom Typ Weber DCOE leistete das Aggregat 130 PS, die über ein Fünfganggetriebe und ein selbsthemmendes Differenzial auf die Hinterräder übertragen wurden.
Die 130 PS beeindruckten insbesondere aufgrund des geringen Leergewichts des ŠKODA 130 LR von nur 730 Kilogramm. Hauben und Türen waren aus Aluminium gefertigt, die Seitenscheiben und später auch die Heckscheibe bestanden aus Makrolon-Plexiglas. Alles, was nicht unbedingt notwendig war, wurde aus dem Fahrzeug entfernt. Für den Schutz der Insassen sorgte ein Leichtmetall-Schutzrahmen von HEIGO.
Für eine bessere Beherrschbarkeit sorgte im 130 LR eine neue Hinterachse mit modifizierter Kinematik. Sie ermöglichte es, die Bodenfreiheit zu verändern und einen Stabilisator zu installieren. Weiterhin wurde die Vorderradaufhängung modifiziert und Anpassungen am Bremssystem vorgenommen. Die vorderen Bremsscheiben waren gekühlt und an der Hinterachse kamen als weitere technische Neuerung Scheibenbremsen zum Einsatz. Das Wirkungsverhältnis der Bremsen vorne und hinten ließ sich einstellen, auch die hydraulische Handbremse war eine Innovation.
Die Homologation des ŠKODA 130 LR mit der Prüfung einer Serie von 200 Exemplaren durch den Automobil-Weltverband FIA fand am 19. Dezember 1984 im Werk Vrchlabí statt. Zum Debüt des LR auf der Rallye-Piste kam es bereits im Februar des darauffolgenden Jahres, selbstverständlich mit dem Anspruch, an die zahlreichen Erfolge des Vorgängers anzuknüpfen. Bei seiner Premiere, der Rallye Valašská zima im Jahr 1985, belegte der ŠKODA 130 LR mit den Fahrerteams Křeček/Motl, Haugland/Bohlin und Kvaizar/Janeček auf Anhieb die drei vordersten Plätze. Seinen ersten großen internationalen Erfolg fuhr der ŠKODA 130 LR bei der berühmten britischen RAC Rallye Ende 1985 ein. Hier eroberte der norwegische Pilot John Haugland den 15. Platz der Gesamtwertung.
Rallye Akropolis – Sieg in seiner Klasse
Den nächsten großen Triumph fuhr der 130 LR im darauffolgenden Jahr bei der Rallye Akropolis ein, einer der härtesten Rallyes der Welt. Das Duo Ladislav Křeček/Bořivoj Motl siegte in seiner Klasse und belegte den 13. Platz der Gesamtwertung. Dieses Ergebnis konnten sie bei der Rallye San Remo 1986 mit Gesamtrang sechs sogar noch übertreffen. Der größte Erfolg war der Sieg des österreichischen Fahrerteams Gerhard Kalnay/Günter Tazreiter in der Gesamtwertung der Marlboro Günaydin Turkish Rally. In diesem EM-Lauf ließ der ŠKODA 130 LR den Peugeot 205 Turbo 16, den Audi Quattro, den MG Metro 6R4, den Renault 5 Turbo und weitere starke Fahrzeuge im Feld weit hinter sich.
Infolge fataler Unfälle in der Saison 1986 hatte die FIA bereits gegen Saisonende die Entscheidung getroffen, die Gruppe B einzustellen, was praktisch gleichbedeutend war mit dem Ende der internationalen Karriere des 130 LR. Er fuhr in der Folge noch zwei Jahre in der tschechoslowakischen Meisterschaft und bei Rennen des damaligen Friedens- und Freundschaftspokals, bei dem das Duo Pavel Sibera/Petr Gross in der Saison 1988 den letzten Meistertitel in einem Fahrzeug mit Heckmotor einfuhr. In dieser Zeit nahm das Werksteam bereits mit den für die Gruppe A modifizierten Fahrzeugen vom Typ Š 130 L mit geringeren Anpassungen an internationalen Rennen teil. Gleichzeitig lief die Produktion des neuen Kurzheckmodells FAVORIT mit Frontmotor an und die Konstrukteure legten den Fokus auf die Entwicklung eines neuen Rallye-Fahrzeugs mit Frontantrieb.
200 Homologationsfahrzeuge & 20 Rennwagen
Da die Fahrzeuge bei Amateur-Rallyes und anderen Rennen nicht geschont wurden, sind nur sehr wenige von mehreren Hundert gebauten 130 LR (200 Homologationsfahrzeuge, 20 Rennwagen und eine unbekannte Zahl an Fahrzeugen, die für die Spezifikation 130 LR modifiziert wurden) bis heute erhalten geblieben. Dank des steigenden Interesses an Rallye-Fahrzeugen aus den 1980er-Jahren sind die Original-Werksfahrzeuge vom Typ 130 LR unter Sammlern heute sehr begehrt und werden zu entsprechend hohen Preisen gehandelt.
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