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Die Grenzen des H-Kennzeichens: Tuning am Oldtimer!

Lesezeit 7 Min.

Die Grenzen des H-Kennzeichens: Tuning am Oldtimer!

Oldtimer-Tuning ist angesagt! Allerdings ist nicht alles, was attraktiv wirkt, auch erlaubt – insbesondere, wenn das H-Kennzeichen erhalten bleiben soll. Doch wo genau legen TÜV, Dekra, GTÜ und andere die Grenzen fest? Das Konzept des Tunings hat im Laufe der Zeit viele Facetten angenommen. Ursprünglich bezeichnete es die Feinabstimmung der bestehenden Technik: Durch präzise gewuchtete Kurbelwellen, ausbalancierte Kolben und perfekt eingestellte Vergaser konnte man den Motorlauf optimieren und oft auch die Leistung etwas steigern. Heutzutage beinhaltet „Tuning“ alle technischen und optischen Veränderungen, die ein Fahrzeug vom Serienzustand abweichen lassen.

Tuning am Oldtimer

Die Firma Kamei präsentierte 1953 das sogenannte Tiefensteuer für den VW Käfer, um den Anpressdruck auf die Vorderachse zu erhöhen. Bereits zwei Jahre zuvor hatte Oettinger unter dem Namen Okrasa seine (Motor-)Tuningkits für den Käfer vorgestellt. Tuning ist somit keineswegs ein Phänomen der Moderne. Selbst die Breitbauten der 80er- und 90er-Jahre haben mittlerweile das für ein H-Kennzeichen geeignete Alter erreicht. Wir denken an den legendären Opel Manta aus Manta Manta. Die grundlegende Anforderung, dass alle Umbauten innerhalb der ersten zehn Jahre nach Zulassung vorgenommen oder möglich gewesen sein müssen, lässt einen gewissen Spielraum.

Die Grenzen des H-Kennzeichens: Tuning am Oldtimer!

Doch wie verhält es sich, wenn ein moderner Motor in ein klassisches Fahrzeug eingebaut werden soll? Oder wenn eine extreme Tieferlegung oder gar ein Luftfahrwerk gewünscht ist? Hier soll nicht die philosophische Frage behandelt werden, ob man aus nostalgischen Gründen solche Veränderungen an einem Oldtimer überhaupt vornehmen „darf“. Vielmehr steht der individuelle Geschmack im Vordergrund und für einige wird das Projekt auch zur technischen Herausforderung.

Tuner wie H&R zeigen immer wieder Projektfahrzeuge

Die Produkte von früher sind heute oft in einer eigenen klassischen Produktlinie zu finden. H&R präsentierte etwa den Syberia RS, einen 1986er-Porsche 911, der zum Rallye-Auto umgebaut wurde, um sein Engagement für Oldtimer zu demonstrieren. Der Wagen erhielt ein komplett neu entwickeltes Fahrwerk und erinnert an die Dakar-Einsätze der Marke. Oder die KW automotive Gruppe, sie ist seit 30 Jahren auf dem Markt und hat eine etablierte Klassiklinie im Angebot. Neben auffälligen Farben sind Fahrwerke für Old- und Youngtimer auch in dezentem Schwarz erhältlich, um das originale Erscheinungsbild nicht zu beeinträchtigen.

Die Grenzen des H-Kennzeichens: Tuning am Oldtimer!

Felgenhersteller wie Schmidt Revolution, BBS oder Ronal setzen ebenfalls auf Bewährtes: Neben aktuellen Radkollektionen werden weiterhin bekannte Designs angeboten. Ronal offeriert zum Beispiel neben dem beliebten „Turbo“-Design auch das gefragte „R9“ im Penta-Stil, das in der Kontrastoberfläche „Racing Gold“ verfügbar ist. BBS verfügt ebenfalls über eine Classic-Designlinie. Recaro präsentiert den „Classic Pole Position“, der klassisches Design mit modernen Sicherheitsstandards verbindet. Dieser Sitz basiert auf der Recaro-Schale für den Porsche 964 RS.

Moderne Technik im alten Gewand

Neu verpackte moderne Technik im klassischen Design – Oldtimer-Tuning kann faszinierend sein. Genau hier, beim Oldtimer-Tuning, ist eine grundlegende Entscheidung gefordert: Wie bedeutsam ist das H-Kennzeichen? Besonders bei jüngeren Klassikern entfallen viele Vorteile der Oldtimerzulassung ohnehin: Häufig sind die Motoren bereits (serienmäßig oder nachträglich) Katalysator-gereinigt. Mit einer grünen Plakette ist demnach gemäß aktueller Rechtsprechung auch das Befahren von Umweltzonen unproblematisch. Zudem liegt der mit der Zulassung verbundene Steuersatz bei den meisten weit unter dem pauschalen Oldtimer-Betrag von 191 €. Andererseits ist für viele das „H“ am Oldtimer das Erkennungszeichen der Zugehörigkeit zur Oldtimer-Szene.

Die Grenzen des H-Kennzeichens: Tuning am Oldtimer!

Um die H-Zulassung zu erhalten, müssen Regeln beachtet werden – die nicht immer präzise definiert sind. In der „Richtlinie für die Begutachtung von Oldtimern“ gemäß § 23 StVZO heißt es, dass „die Originalität in allen Hauptbaugruppen gegeben sein muss“. Fahrzeugbesitzer müssen das im Zweifelsfall nachweisen. Weiterhin gilt: „Änderungen, die nachweislich innerhalb der ersten zehn Jahre nach Erstzulassung oder gegebenenfalls Herstellungsdatum erfolgt sind oder hätten erfolgen können, sowie Änderungen innerhalb der Fahrzeugbaureihe sind zulässig.“ Dazu zählen auch Umbauten, die nicht unbedingt zeitgemäß sind, aber nachweislich vor mindestens 30 Jahren durchgeführt wurden.

Auslegung betrifft besonders die Hot-Rod-Szene

Diese Auslegung betrifft hauptsächlich die Hot-Rod-Szene: Autos aus den 1920er- und 1930er-Jahren, insbesondere das Ford Model T und Model A, wurden nach dem Zweiten Weltkrieg mit modernen V8-Motoren ausgestattet. Der Umbau fand also nach mehr als zehn Jahren und oft auch markenübergreifend statt: Ford-Achsen am Chevrolet oder ein Chevrolet-Motor im Ford waren üblich. Solche Fahrzeuge sind bedeutende Zeugnisse, primär der amerikanischen Automobilkultur. Selbstverständlich gilt diese Regelung nicht für spätere Street-Rod-Nachbildungen, oft mit Gfk-Karosserie. Hier ist letztlich wieder das tatsächliche Baujahr bzw. das Jahr des Aufbaus entscheidend. Das Gleiche gilt für europäische Kit Cars aus den 1970er- und 1980er-Jahren: Auf Basis des Käfers entstanden Buggys, Baja Bugs oder Repliken verschiedener Vorkriegsfahrzeuge.

Die Grenzen des H-Kennzeichens: Tuning am Oldtimer!

Aber auch der Pontiac Fiero, der gerne zum Ferrari umgestaltet wurde, oder die GTO-Breitbauten der 1990er-Jahre zählen inzwischen zu den „Tuning-Klassikern“. Dabei ist der Originalzustand, also der Zustand, in dem das Fahrzeug damals unterwegs war, immer wichtig. Gerade die Beschaffung von Teilen für ältere Umbauten kann schnell kompliziert werden. Laut Anforderungskatalog ist „auf Originalität zu achten„. Was aber, wenn die Originalteile nicht mehr erhältlich sind? Hier besteht ein gewisser Spielraum. Eine Edelstahl-Auspuffanlage ist akzeptabel, wenn sie optisch und in der Lautstärke dem nicht mehr verfügbaren Original entspricht.

die Tieferlegung darf die Optik nicht verändern

Gleiches trifft auf das Fahrwerk zu: Sportstoßdämpfer und -federn können als Ersatz dienen, solange die Optik durch eine mögliche Tieferlegung unverändert bleibt. Ein Blick in alte Prospekte oder Berichte kann aufschlussreich sein: Für viele Modelle gab es ab Werk sogenannte Sportpakete, oft verbunden mit einer dezenten Tieferlegung (meist etwa 20 mm). In diesem Rahmen sollte es bei dem entsprechenden Basismodell keine Probleme mit der H-Tauglichkeit geben. Ähnliches gilt für die Räder: Häufig waren ab Werk verschiedene Optionen verfügbar. Wenn beispielsweise bei Breitbauten die extremen Reifendimensionen nicht mehr erhältlich sind, können andere Größen verwendet werden.

Die Grenzen des H-Kennzeichens: Tuning am Oldtimer!

Insbesondere bei sicherheitsrelevanten Komponenten spielt die Originalität eine untergeordnete Rolle: Die Umrüstung von einer Einkreis- auf eine Zweikreis-Bremsanlage wird akzeptiert, ebenso wie das Upgrade der Elektrik von sechs auf zwölf Volt. Voraussetzung ist natürlich immer eine fachkundige Ausführung der notwendigen Arbeiten. Anders ist es, wenn etwa die serienmäßige Trommelbremse durch Scheiben eines späteren Modells ersetzt werden soll: Handelt es sich tatsächlich um dieselbe Fahrzeuggeneration? Oder soll die Technik des Nachfolgemodells verbaut werden? Das ist häufig bei amerikanischen Fahrzeugen kompliziert, die zwar denselben Namen haben, aber technisch nicht viel gemeinsam aufweisen.

Änderungen am Fahrverhalten sind eintragungspflichtig

PU-Buchsen und -Lager geraten mit einer gewissen Regelmäßigkeit in die Kritik, da sie in unterschiedlichen Härtegraden („Shore“) meist ohne ABE/Gutachten ausgeliefert werden. Wenn sie das Fahrverhalten verändern, sind sie eintragungspflichtig. Wenn sie in ihrer Funktion dem Originalteil entsprechen und dank des verwendeten Materials langlebiger sind, gelten sie als Ersatzteil.

Tipp: Vorher ein Gespräch mit dem Anbieter oder einer Prüforganisation führen.

Der Hinweis auf Originalität betrifft nicht nur die Technik, sondern auch wesentlich die Optik. Wer aus einem Bulli einen historischen Lieferwagen machen möchte, benötigt nicht unbedingt ein konkretes Vorbild. Allerdings sollte die Schriftart oder das Erscheinungsbild zum Baujahr oder zur Generation des Autos passen, selbst wenn etwa eine fünfstellige Postleitzahl oder Handynummer an der Seite oder am Heck angebracht ist. Folierungen sind tabu und auch aufwendige Airbrush- oder Effektlackierungen, solange sie nicht zur jeweiligen Epoche passen. Im Innenraum setzt sich dies fort: Ein Doppel-DIN-Touchdisplay ist unangebracht und auch moderne Sportsitze. Eine nostalgische Abdeckung für das moderne Radio ist aber denkbar ist. Auch die originalen Stoffsitze können mit Leder bezogen sein.

Die Grenzen des H-Kennzeichens: Tuning am Oldtimer!

Im Zweifel hängt das Oldtimer-Tuning von Absprachen ab: Was tolerieren Prüforganisationen, und wann muss man möglicherweise auf das H-Kennzeichen verzichten? Immer müssen alle Anforderungen der StVZO eingehalten werden. Oldtimer-Tuning ist keineswegs verpönt. Fahrzeuge wurden schon immer individualisiert: ursprünglich nach Kundenwunsch bei renommierten Karosseriebauern, später eigenständig in der heimischen Garage. Die Zubehörindustrie erkannte den Markt schnell und profitiert noch heute davon. Große Unternehmen wie H&R oder Recaro liefern seit Jahrzehnten alles, was, man benötigt.

Erlaubt ist, was damals möglich gewesen wäre.

So ansprechend und sauber Oldtimer-Tuning auch sein mag, für das H-Kennzeichen spielt es zunächst keine Rolle. Seit der Einführung der H-Richtlinie 1997 wurden nur Umbauten akzeptiert, die innerhalb der ersten zehn Jahre nach Erstzulassung durchgeführt wurden. Seit der Überarbeitung der Anforderungen im Jahr 2011 gilt die Regel: Erlaubt ist, was damals möglich gewesen wäre. In jedem Fall muss die grundsätzliche Eintragungsfähigkeit gegeben sein. Denn unabhängig davon, ob es sich um eine Leistungssteigerung auf Basis des Originalmotors oder einen Motoraustausch handelt: Die StVZO bildet auch die Grundlage für das H-Gutachten.

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Eine Legende ist der Opel Manta von Günni aus Manta Manta

Das war es natürlich längst noch nicht gewesen.

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Über Thomas Wachsmuth

Thomas Wachsmuth - Seit 2013 ist er ein integraler Bestandteil von tuningblog.eu. Seine Leidenschaft für Autos ist so intensiv, dass er jeden verfügbaren Cent darin investiert. Während er von einem BMW E31 850CSI und einem Hennessey 6x6 Ford F-150 träumt, fährt er aktuell einen eher unauffälligen BMW 540i (G31/LCI). Seine Sammlung an Büchern, Heften und Prospekten zum Thema Autotuning hat mittlerweile solche Ausmaße erreicht, dass er selbst zu einem wandelnden Nachschlagewerk der Tuningszene geworden ist.  Mehr über Thomas

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